geb. 1966 in München
„Gosprom“, 2015
77 x 77 cm, Siebdruck in 7 Farben
Ed. 27/35
Was sehe ich?
Vor einem undefinierten, hellgrauen Hintergrund schweben Stücke eines Gebäudes. Weisser Zement und schwarzer Marmor sind zu erkennen. Gewisse Teile sind stark vergrössert, bei anderen sieht man Hausfassaden, Fenster und Stockwerke. Der Titel des Kunstwerks gibt den Leitfaden „Gosprom“. Auch „Palast der Industrie“ genannt wurde dieses 1928 in Kharkov in der Ukraine als flächenmässig grösstes Gebäude der damaligen Welt erbaut. Es wurde kurz nach der Russischen Revolution entworfen, als Kharkov anstelle von Kiev zur Hauptstadt der Sowjetischen Republik Ukraine ernannt worden war. Der Stil war damals absolut modern, konstruktivistisch, schmucklos, funktional: Die Avantgarde der Architektur. Die Grösse sollte den Ruhm des Kommunismus, das Ideal der Arbeit und die Solidarität zwischen den Sowjet Bürgern symbolisieren. Das Gebäude steht noch heute als Wahrzeichen der Stadt und als Zeuge einer vergangenen Zeit.
Kunstwerk im Kontext
Hito Steyerl ist vor allem für ihre Videokunst bekannt, in der sie Fragmente von Bildern aus Archiven oder dem Internet zu neuen Welten zusammenbaut. Die wichtigsten Themen ihrer Kunst sind Politik, Geschichte, Globalisierung, Macht, Geld, Arbeit, Überwachung und Militär. Sie erschafft eine neue Art der Dokumentation und möchte Betrachter zum Querdenken auffordern. Was sehe ich? Verstehe ich, was ich sehe? Was ist ein Bild? Gibt es eine Wahrheit? Das Kunstwerk „Gosprom“ ist ein sogenanntes „Still“ (ein Abbild) einer auf dem Computer animierten Videoarbeit. Es hinterfragt Strukturen der Macht (ehemalige Sowjetunion) und den stetige Wechsel von politischen Systemen und Idealen.